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Interview: Spür die Natur an der Hauswand!
Betonwüste ade! Eine Stadt kann sich rasch in eine Oase verwandeln. An der Hauswand wachsen frische Erdbeeren und das Dach wird zum Sumpfgebiet. Die „GRÜNSTATTGRAU“-Geschäftsführerinnen Vera Enzi und Susanne Formanek erklären wie’s geht!
Welche Vorteile entstehen durch Fassadenbegrünung für die Bewohner und Anrainer?
Enzi: Fassadenpflanzen tragen enorm zur Temperaturoptimierung bei. Sie helfen auf natürlichem Wege, das Gebäude im Sommer zu kühlen und im Winter warm zu halten. Die Temperatur kann im Hochsommer um bis zu circa vier Grad unter dem begrünten Dach sinken. Auch laut Wahrnehmungspsychologie hilft der Anblick von Pflanzen sehr, um die gefühlte Lufttemperatur zu senken. Ähnliches gilt auch für die Themen Lärm und Schall. Fassadenbegrünung ist ein sogenannter zusätzlicher „optischer Schallschutz“, der die Lärmempfindung nicht nur messbar, sondern auch spürbar mildert. Für den Klimaschutz sind Pflanzen an der Hauswand vorteilhaft.
Denn sie binden CO2, reduzieren die Feinstaubbelastung und führen zudem zur Energiereduktion bei Klimaanlagen. Viele Stadtbewohner erkennen dabei eine Möglichkeit, die Freude an der Natur wieder zurückzugewinnen.
Welche Pflanzen eignen sich? Und: Sind auch Nutzpflanzen möglich?
Enzi: Wir können für jedes Gebäude ein maßgeschneidertes und innovatives Konzept entwickeln. Dieses entspricht dann den baulich bedingten Möglichkeiten sowie den Vorstellungen der Bewohner. Die Idee, Nutzpflanzen in Vertikalbeeten anzubauen oder die Dächer zum Küchengarten auszubauen, wurde bereits mehrmals erfolgreich umgesetzt. Für die Bewohner ist es ein tolles Erlebnis, eine Erdbeere von der eigenen Hauswand zu ernten und zu essen.
Besonders gut gefallen mir Begrünungskonzepte in Schulen. Dadurch lernen Schüler den praktischen Anbau und den Wert von selbst angebauten Lebensmitteln kennen. Interessant sind auch Projekte in der Gastronomie, wenn die Gäste im Restaurant Speisen serviert bekommen, deren Zutaten aus dem Eigenanbau stammen. Was die Gestaltung der Dächer betrifft, stiftet die Kombination von Photovoltaik und Begrünung doppelten Nutzen. Viele Menschen sind überrascht, dass auch Sumpfpflanzen auf Dächern wachsen und diese auch Wasser reinigen können.
"Fassadenbegrünung hilft den Städtern, die Freude an der Natur zu spüren."
Susanne Formanek
Geschäftsführerin GRÜNSTATTGRAU
Wer ist im Normalfall für die Pflege der Pflanzen zuständig?
Formanek: In den ersten Jahren ist eine fachkundige Pflege der Pflanzen in der Anwuchs- und Entwicklungsphase unbedingt notwendig. Wir empfehlen, Profis ranzulassen. Inwiefern auch Mitbewohner ihrer Freude an der Hausmauern- und Dachpflanzenpflege freien Lauf lassen können, hängt von der baulichen Struktur und den damit vorhandenen Bedingungen für gesicherte Zugänge ab.
Wie wirkt sich Begrünung auf die Baukosten aus?
Enzi: Da jedes Bauprojekt in sich ein wenig anders und die Größe ausschlaggebend ist, können wir keine allgemeinen Errichtungskosten bekanntgeben. Manchmal ist eine Begrünung mit standardisierten Systemlösungen möglich. Unter Umständen ist jedoch ein individueller Ansatz nötig. Die Kosten für Begrünungen der Fassade liegen zwischen € 15 und € 1.200 pro Quadratmeter. Die Kosten für extensive Dachbegrünungen beginnen ab € 25 pro Quadratmeter.
Allerdings zeigen unsere Best Practice Beispiele bereits jetzt, dass ein begrüntes Umfeld den Immobilienwert um 4 % bis 8 % steigert, während die Investitionen in die Gebäudebegrünung meistens deutlich unter 3 % der gesamten Baukosten liegen. Für die Bewohner kommt es zu Kostenreduktionen bei Heizung und Klimaanlage. Das wiederum führt mittelfristig zu einer Amortisation der getätigten Investitionen. Die indirekten Auswirkungen auf das Wohlbefinden machen sich durch reduzierte Krankheitstage und längere Verweildauer bemerkbar.
Im Idealfall wird ein Begrünungskonzept bereits bei der Planung des Neubaus berücksichtigt. Dann sind beispielsweise der vertikale Gemüseanbau an der Hauswand sowie eine Kombination aus Photovoltaik und landwirtschaftlicher Nutzung des Dachs leicht umsetzbar, da auch die Statik eingeplant werden muss.
"Photovoltaik oder Gemüse am Dach? Am besten beides."
Vera Enzi
Geschäftsführerin GRÜNSTATTGRAU
Gebäudebegrünung erscheint vielen Menschen doch eher nicht umsetzbar. Ist dies ein Trend für die Zukunft?
Formanek: Kombinationen aus Wohngebäuden und Bepflanzung gibt es schon seit der Sesshaftigkeit des Menschen. Den letzten Generationen ist diese Tradition leider verloren gegangen.
Seit den 70er Jahren wird Gebäudebegrünung am Markt angeboten und zuletzt stieg die Nachfrage zusehends. Wir sehen hier einen Trend für die Zukunft, der die Lebensqualität erhöht, das Klima positiv verändert, Wohnkosten reduziert und den Menschen die Freude an der Natur spüren lässt.
GRÜNSTATTGRAU ist eine Kompetenzstelle für Bauwerksbegrünung und Schnittstelle zwischen Netzwerkpartnern aus öffentlicher Hand, Wirtschaft, Bevölkerung und Forschung. Die Kerntätigkeit von GRÜNSTATTGRAU besteht darin, Impulse für den Einsatz von vorhandenen und neuen Technologien, Kompetenzen und Dienstleistungen für Bauwerksbegrünung zu setzen.